19. Juli 2024 / Aus aller Welt

Milderes Urteil für Jérôme Boateng

Viermal schon hat sich ein Gericht in München mit Gewaltvorwürfen gegen Jérôme Boateng befasst. Jetzt gibt es ein neues Urteil.

Im neuen Prozess gab es nur eine Verwarnung für Boateng - und eine Geldauflage.
von Britta Schultejans und Annkathrin Stich, dpa

Erst waren es 1,8 Millionen Euro, dann 1,2 Millionen - jetzt ist es noch eine Verwarnung: Im neuen Prozess gegen den früheren Fußball-Nationalspieler Jérôme Boateng hat das Landgericht München I ein deutlich milderes Urteil verkündet. Zwar sprach es den Weltmeister von 2014 wegen vorsätzlicher Körperverletzung schuldig, er wurde dafür aber lediglich verwarnt. Eine Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 5000 Euro wurde unter Vorbehalt verhängt. 

Ähnlich wie bei einer Freiheitsstrafe auf Bewährung muss Boateng diese 200.000 Euro nur zahlen, sollte er gegen seine Auflagen verstoßen. Diese sehen vor, dass er jeweils 50.000 Euro an zwei gemeinnützige Einrichtungen zahlen muss, die sich für Kinder einsetzen. Denn: «Die eigentlich wirklich Leidtragenden in diesem Prozess sind meiner Meinung nach die Kinder», sagt die Vorsitzende Richterin Susanne Hemmerich. «Die armen Kinder.» Die Bewährungszeit wurde auf ein Jahr festgesetzt. Wenn Boateng seine Auflagen erfüllt, entfällt die Geldstrafe. 

«Ich bin unendlich erleichtert, dass dieser jahrelange Albtraum nun endet», sagt Boateng nach Angaben seines Sprechers. «Das ist vor allem für meine Kinder wichtig. Jetzt möchte ich mich auf die Familie und den Fußball konzentrieren.»

«Von dem Vorwurf des notorischen Frauenschlägers nichts übrig»

Das Gericht kam zu dem Schluss, «dass von dem Vorwurf des notorischen Frauenschlägers nichts übrig geblieben ist», wie es Richterin Hemmerich formuliert. Er habe sich einmal in einem Urlaub vor sechs Jahren falsch verhalten. Das Ganze sei aber auch im Rahmen einer «toxischen Beziehung» zu Boatengs Ex-Freundin und Mutter der gemeinsamen, inzwischen 13 Jahre alten Zwillingstöchter zu sehen - und vor dem Hintergrund, dass es Streit vor dem Familiengericht gab und finanzielle Forderungen der Ex-Partnerin. 

Die Vorwürfe aus der Anklage, Boateng habe seiner damaligen Partnerin 2018 im Karibikurlaub in den Kopf gebissen sowie ein Windlicht und eine Kühltasche auf sie geworfen, sieht das Gericht nicht bestätigt. «Wir haben hier nicht den schlimmen Frauenschläger», sagt Hemmerich. «Wir haben hier einen Menschen, der einmal in einer Beziehung über Gebühr ausgerastet ist.» Boateng hatte eingeräumt, seine Ex-Freundin geschubst zu haben. 

Gerichtssprecher Laurent Lafleur erklärt nach dem Urteil: «Die Kammer hat bei der Strafzumessung berücksichtigt, dass es zu gegenseitigen Körperverletzungen gekommen ist und nicht alleine der Angeklagte die Geschädigte geschlagen hat, sondern gerade auch an dem Tattag, so die Feststellung der Kammer, kam es auch zu körperlichen Übergriffen der Geschädigten gegenüber dem Angeklagten.»

Verteidiger und Nebenklage-Anwältin beide zufrieden

Boatengs Verteidiger Leonard Walischewski spricht von einem «sehr guten, fairen Urteil». Sein 35 Jahre alter Mandant sei nun erleichtert. «Er ist erfreut, dass er jetzt zur Ruhe kommen kann». Boateng wolle «in sein ganz normales Leben zurückkehren». 

Auch die Anwältin von Boatengs Ex-Freundin, Carolin Lütcke, zeigte sich zufrieden über die Gerichtsentscheidung. «Es ging uns um einen Schuldspruch, insofern sind wir zufrieden.» Dabei standen deutlich höhere Strafen im Raum: Die Staatsanwaltschaft hatte eine Geldstrafe in Höhe von 1,12 Millionen Euro gefordert.

Langwieriges Verfahren

Das Verfahren gegen den langjährigen Verteidiger des FC Bayern München, der gerade vom italienischen Club US Salernitana zum Linzer ASK in Österreich wechselte, zieht sich lange hin. Das Amtsgericht München hatte bereits im Jahr 2021 eine Geldstrafe gegen Boateng verhängt: 60 Tagessätze zu je 30.000 Euro, also insgesamt 1,8 Millionen Euro.

Das Landgericht München I verurteilte Boateng dann im Oktober 2022 in zweiter Instanz wegen Körperverletzung und Beleidigung zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 10.000 Euro - insgesamt 1,2 Millionen Euro. Doch das Bayerische Oberste Landesgericht kassierte das Urteil unter anderem wegen durchgehender Rechtsfehler - darum wurde der Fall vor dem Landgericht München I erneut aufgerollt. 

«Damit ist die Sache erledigt. Glücklicherweise – nach sechs Jahren», sagt Richterin Hemmerich nach dem Urteil. Ob das aber tatsächlich der Fall ist, wird sich erst in einer Woche herausstellen. Denn bislang ist das Urteil nicht rechtskräftig. Staatsanwaltschaft, Nebenklage und Verteidigung können erneut Revision einlegen. Ausschließen wollte das zunächst niemand von ihnen. 


Bildnachweis: © Peter Kneffel/dpa
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